Geschälte Zeit

Geschälte Zeit 02

„Am obengenannten Datum ist diese Zeichnung vom Donaukanal entstanden, sagen wir: mein Zeitfluss. Die gedrehte Kalenderseite als Untergrund ist beliebig gewählt – dadurch vereinen sich scheinbar zufällig zwei Zeitpunkte, die vorher nichts miteinander zu tun hatten. Etwa so, wie wir uns zeitgleich in Gedanken sowohl in Vergangenheit / Zukunft UND Gegenwart aufhalten können. Ich schäle die Zeit, indem ich ihre konkrete Messung und Datierung durch Menschen verwässere, denn am besten gefällt sie mir, wenn ich sie nicht bemerke. Während einer starken inneren Bewegung oder einem intensiven Erlebnis verschwindet ja unser Bewusstsein für die Zeit. Diese Momente scheinen mir wohl die reichsten, die wir überhaupt haben können. Ich empfinde die Zeit als sehr ambivalente Bewegung. Sie lässt die schönen Momente einfach so zurück, aber schwemmt eben auch die traurigen mit sich fort. Und bringt neue traurige, aber eben auch neue schöne Momente.“ (Olaf Osten)

Olaf Osten wurde 1972 in Lübeck geboren und absolvierte sein Grafik-Studium in Hildesheim und Dublin. Seit 1997 lebt und arbeitet er in Wien. Unter dem Titel „Pendeln“ gestaltet Osten eine fortlaufenden Serie von Farbstift-Zeichnungen auf gebrauchten Taschenkalendern, zu der auch seine am 9. März 2013 entstandene Zeichnung vom Donaukanal gehört. Der Künstler verschränkt darin verschiedene Zeitebenen: Der Kalenderuntergrund verweist auf die Vergangenheit, die Spontaneität in der Darstellungsweise auf die Gegenwart und das Sujet der Donau symbolisch auf den fortlaufenden Zeitfluss. Ostens Werk ist der zweite Beitrag der zehnteiligen Ausstellungsreihe „Geschälte Zeit“ von museum in progress im DATUM.

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