Es ist gut und richtig, dass Kunst nicht zur dekorativen Nebensache wird, sondern polarisiert und erregt. Als ich im Frühjahr 1997 die Gestaltung des eisernen Vorhangs in der Wiener Staatsoper zur Diskussion stellte, schien es aber, als hätte ich damit die sagenhafte Büchse der Pandora geöffnet. Ein Sturm der Entrüstung fegte zunächst alle vernünftigen Argumente für und wider eine Neugestaltung des eisernen Vorhangs hinweg. Schon damals machte ich deutlich, dass mir nicht an der Zerstörung von Bestehendem, sondern an Ermutigung neuen, zeitgenössischen Schaffens lag.
Die Gemüter haben sich mittlerweile beruhigt, und ich bin froh, dass wir im „museum in progress“ einen kompetenten Partner finden konnten, der die anfängliche Idee weiterentwickelt hat. Die dankenswerte Unterstützung durch „artpool“ ermöglicht die Umsetzung dieser Idee. In den kommenden vier Jahren wird für die Dauer einer Saison jeweils ein Werk eines international bekannten Künstlers mittels eines neuen technischen Verfahrens vor den „Eisernen“ gespannt. Die bestehende Gestaltung wird dadurch nicht zerstört und soll während der Sommermonate weiterhin zu besichtigen sein.
Die Wahl einer international besetzten Jury für den ersten Entwurf fiel auf die amerikanische Künstlerin Kara Walker, deren Vorhang-Bild für die Saison 1998/99 den neugeschaffenen „lebendigen Museumsraum“ einweiht, die Wahl für den zweiten Entwurf für die Saison 1999/00 fiel auf die österreichsichen Künstlerinnen Christine und Irene Hohenbüchler.
Ich freue mich, dass so die Staatsoper alljährlich einem zeitgenössischen Künstler oder einer Künstlerin die Möglichkeit zu einer vielbeachteten Darstellung seines Könnens verhilft.
(Ioan Holender, eh. Staatsoperndirektor, 1998)