Flying Home

GERM

Lehren hängt ursächlich mit der Frage zusammen . was bin ich / wer bin ich? Diese Frage beantworte ich für mich etwa so: Ich sehe mich als eine Art Treibmittel, ruheloses Ferment, welches Teig auftreibt. Als eher unangenehmes Produkt – Hefe – die selbst relativ masselos – eingeschlossen im umstellten Raum unter Druck steht und ewig einen Ausweg sucht . Dieses Grundgefühl hängt mit einer hermetischen klaustrophobischen Raumvorstellung zusammen, die biographisch begründet ist . Mit 18 habe ich in 2 süddeutschen Betrieben Weben und Textilveredlung gelernt. – Das Gewebe, die Art und Weise, wie 10.000 Kettfäden mit 10.000 Schussfäden miteinanderverknüpft werden können, welche Bindungsformen sie repräsentieren können, habe ich schon damals in meiner Vorstellung – beim Träumen vor den Maschinen – auf Städte / Stadträume – ja die Konstruktion von ganzen Gesellschaften übertragen. – Als rigide Raumsysteme gesehen, in die Millionen von winzigen Räumen /Wohnungen eingeschlossen waren . (die Lufteinschlüsse innerhalb eines Gewebes entscheiden über seine Wärmeleistung). Diese sozialen Flächen = Gewebter Stoff, die ich da vor mir sah, waren seit Anfang der 60er Jahre, mit Erscheinungsformen der chinesischen Kultur zusammen, in meiner Vorstellung zu echten Gesellschaftsmodellen geworden, in denen es durchaus nicht totalitär zuging, sondern Demokratie im Winzigen möglich war. Die Einzelfäden waren individuell, der Gesamtstoff war kollektiv (z.B. ein einzelner Faden, besteht selbst aus vielen Fasern, er kann individuell eingefärbt sein, er kann so komplex, wie eine Glasfaser, Millionen von Daten in sich führen = er ist also mehr, als irgend etwas). Die Qualität vom Großen Geweb / Heidegger – hängt also an der Qualität und Quantität der Einzelteile, aus denen es besteht. – Diese – zugegeben auch für mich – beängstigende Hermetik in dem Bild, sehe ich gesellschaftlich seit langem – unausweichlich – auf uns alle zukommen . Es gibt nämlich im imperialistischen Sinne keinen Platz mehr. – Es ist die primitive Landnahme mit einem ebenso primitiven Freiheitsbegriff am Ende . (Wenn man sich heute qm-Preise in Metropolen ansieht, kann einem entweder das Bild von Straßenkämpfen einfallen, bei denen jeder Meter brutal errungen werden muss – oder eine englische Haarwerbung, in der es um den Raum zwischen den Haaren geht, zwei Beispiele dafür, dass A Raum endlos vorhanden ist, Mandelbrot – und B. Plätze zwischen besetzten Plätzen zu suchen und zu finden sind) . – Um auf mein Handeln zurückzukommen: Das Handeln im Unterricht – die Brille, durch die man sieht, ist also enorm durch biographische Erlebnisse determiniert, denen man sich nicht entziehen kann – so sehr man es auch will! Der Straßenkampf, neue Formen zwischen Formen zugewinnen, ist also ziemlich hart, aber lohnend. Es gibt im engen Raum keine langen Perspektiven. Die Arbeit in dem Raum ähnelt der Perspektive der Mikrobe, die von der Leber in die Niere gelangen will . ständig tun sich Löcher auf, die sich sofort wieder schließen . Blasen . Hohlräume, die sogleich wieder platzen . Ich sehe mich – gezwungener Maßen – als unsichere künstlerische Existenz, die dauernd getrieben – sich nie ausruhen darf . Ausruhen liegt in diesem Bild zwischen dem Ein- und Ausatmen. Die gesellschaftliche Folge aus solcher Notlage (in der Differenz zum Anything goes) ist ein ständiges Suchen nach Formen, unterschiedliche Raster = Schlüssel kompatibel zu machen, um die nächsten Meter zu schaffen . Diese meine Not ist die Triebfeder des Handelns. Indem ich diese Not auslagere – in andere Existenzen hinein – bin ich so etwas wie ein guter Lehrer . Trainer, der versucht, die selbst nicht lösbaren Aufgaben . in der Existenz erweiterter Satelliten Studenten fortzuführen – so wie teilweise die Leber der Niere Aufgaben weitergeben muss – die sie selbst nicht zu lösen im Stande ist . Eine Weintraube – ein Froschlaich – entsteht so . gleichberechtigt – hermetisch arbeitsteilig . als Freundschaft im echten Kollektiv. O.K. Let's do it!

(Mai 2000)

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