In seinem bürgerlichen Beruf ist Bertran Conrad-Eybesfeld Consulent bei der CA. Privat nennt er ein Landgut im Leibnitzer Feld sein eigen, wo ein moderner Skulpturenpark im Entstehen begriffen ist. Johannes Daxer sammelt bereits sein Leben lang. Mit einem neuen Kunstraum in München will er nun auch die zeitgenössische Kunst erobern. Der Künstler Christian Philipp Müller sprach mit beiden Herren in Daxers Cuvilliés-Schloß in Dachau bei München.
Christian Philipp Müller: Sie beide, meine Herren, haben einen Grundbesitz, man könnte ihn als Schloß bezeichnen, ausgestattet mit antiken Möbeln: Sie haben aktiv gesammelt und jetzt möchten Sie raus aus dem 18., 19. Jahrhundert und in die Jetztzeit hinein?
Johannes Daxer: Im zwanzigsten Jahrhundert bin ich schon noch da – das 21. Jahrhundert haben wir noch nicht ganz erreicht, aber 18. und 19. Jhd., da gebe ich Ihnen recht, daß mir das ein bißl zum Hals raushängt.
Bertran Conrad-Eybesfeld: Vielleicht kann ich ein bißchen über die Herangehensweise an unser Projekt erzählen, bei uns ist die Lage so: Als wir vor 25 Jahren aus Südamerika kamen, fanden wir unseren Besitz in der Südsteiermark als Ruine vor.
JD: Habt‘s die Russen drin g‘habt?
BCE: Ja, unter anderem. In den letzten 20 Jahren waren wir damit beschäftigt unseren Besitz wieder in Ordnung zu bringen. Das war kunsthistorisch interessant, aber mit einem Blick nach rückwärts. Jetzt war es So, daß wir mit der Restaurierung weitgehend fertig waren. Das einzige, das wir noch nicht angepackt haben, war der Park. Im Park sind relativ viele Eingriffe geschehen in den letzten 100 Jahren. Von der ursprünglichen Substanz ist nur noch relativ wenig da. Und wir stellten uns die Frage, ob wir nicht Gefahr laufen würden, daß man in 30 Jahren, wenn das Schloß wieder in schlechtem Zustand sein würde, weil niemand investiert, man sich fragen würde: was haben die eigentlich beigetragen zu diesem Besitz? Das war meine Motivation, mich mit einem Projekt zu beschäftigen, daß in die Zukunft schaut, und das auch eher bleibenden Charakter hat.
JD: Beton!
BCE: Wir sind auf die Idee des Skulpturenparks nach langen Diskussionen gestoßen.
JD: Wie viele Skulpturen habt Ihr schon im Skulpturenpark?
BCE: Es ist der Heimo Zobernig, der die erste Skulptur gemacht hat und Ernst Caramelle, der auch ganz von Anfang dabei war und der jetzt an einer Skulptur arbeitet; er überlegt sich was.
JD: Das heißt, das ist ein fiktiver Skulpturenpark – man überlegt sich was.
BCE: Es ist ein Projekt – richtig, also eine entstehende Sache.
JD: Sag, seit wieviel Jahren überlegt ihr?
BCE: Seit drei Jahren jetzt.
CPM: Und können wir jetzt vielleicht den Herrn Daxer fragen. Sie sind ja nicht mit einem Park beschäftigt – Sie haben ja einen schönen Park.
JD: Na, er hat einen viel schöneren als ich – eine viel schönere Landschaft als ich. Scheiße!
CPM: Aber Sie haben ja auch ein Schloß – und das Schloß ist gut bestückt mit Möbeln, mit Bildern, mit Objekten.
JD: Jetzt spinn ich langsam.
CPM: Ja wie würden Sie das bezeichnen?
JD: Ja ein bißl besser, ein bißl höflicher, mehr euphorisch! Also Mamma mia – ja, ein Toblerone reicht ja nicht dafür, gell?
CPM: Ja, aber Sie haben mir gesagt, daß Sie sich eher jetzt für die zeitgenössische Kunst interessieren.
JD: Ich komme mir vor wie in einem Irrgarten, weil ich die zeitgenössische Kunst momentan nicht erkennen kann. Am besten war es einmal in einer Kneipe in Köln, in der Früh um 5 Uhr.
BCE: Ja, aber das ist auch bei uns ein Problem – wie wähle ich einen Künstler aus?
JD: Sie lassen sich 3 Jahre Zeit. Ich habe nie 3 Jahre Zeit, denn ich bin im Gegensatz zu Ihnen kein hochdotierter Angestellter, sondern ich bin freier Unternehmer – zumindest muß ich alle 10 Jahre reich heiraten, daß ich mir das alles leisten kann. Ich hab nicht diese Sicherheiten wie Sie, ich muß wirklich was tun. Ich sag Ihnen nur, große Kunstsammlungen aufbauen, reich heiraten, das ist ein Fakt. Dann, ausbrechen aus Not, und Glück haben.
CPM: Wenn Sie jetzt beide sagen, okay – Sie sind ja anderswo tätig als in der Kunst..
JD: Ich habe eine erstklassige Kunstgalerie, gell, nicht vergessen und jetzt mache ich die Neueste auf. Just for hobby! Die Daxer & Marschall gibts und die neue Ludwigstraße 11. Na, ich geh ja schon in Angriff, so ist das nicht.
CPM: Also bestimmen Sie den, der da ausstellt?
JD: Nein, aber ich habe keinen Berater, da können Sie sich als Berater sehen, oder die Christine Meyer, meinen Gast Conrad-Eybesfeld oder mein Auge oder meine Nase, – beraten tut mich der Alltag und meine Neugierde. Ja, Sie doch auch, man wird doch beraten von der Neugierde. Ein Kunstberater – nein das nicht. Niemals ein Funktionär.
CPM: Sie würden also niemals mit einem Kunstconsulter arbeiten?
JD: Niemals! Neugierde, auch auf die Schnauze fallen, auch so richtig mit Geld auf die Schnauze fallen – tut man ja ständig – tut man ja, aber Kunst bleibt Kunst, also spekulativ. Man ist doch ganz glückselig, wenn man weiß, daß das später einmal viel mehr wert sein wird. Das beruhigt einen, daß man sagt, man hat nicht alles rausgeschmissen – in Betonplatten und sonstwas – ja man muß irgendeine Rechenschaft ablegen für das Geld, daß man ausgibt. Das, finde ich, das Kriterium muß sich Kunst gefallen lassen.
CPM: Also Sie würden sich niemals auf einen Kunstberater stützen, auf jemanden der das professionell macht.
JD: Professionell nein. Ich muß mich verantworten, ganz wurscht wir reich ich bin, für das Geld, das ich ausgebe. Und wenn ich es nur vor mir selber verantworten muß – aber ich finde, ich muß es verantworten und das gehört ebenfalls zum Kunstsammeln. Das sehe ich so. Ich unterstütze Künstler seit meinem 18. Lebensjahr. Ich hab ungefähr 100 – 200 Künstler gesammelt, davon sind 10 – 15 vielleicht 20 etwas wert – der Rest ist naja; jeder ist morgen der größte Künstler – morgen – heute nicht.
CPM: Also Sie würden sich niemals auf einen Kunstberater stützen, auf jemanden der das professionell macht.
JD: Professionell nein. Ich muß mich verantworten, ganz wurscht wir reich ich bin, für das Geld, das ich ausgebe. Und wenn ich es nur vor mir selber verantworten muß – aber ich finde, ich muß es verantworten und das gehört ebenfalls zum Kunstsammeln. Das sehe ich so. Ich unterstütze Künstler seit meinem 18. Lebensjahr. Ich hab ungefähr 100 – 200 Künstler gesammelt, davon sind 10 – 15 vielleicht 20 etwas wert – der Rest ist naja; jeder ist morgen der größte Künstler – morgen – heute nicht.
CPM: Also da ist doch sicher noch irgendwo eine andere Seite da, Sie reden nur wieviel Gewinn Sie da haben?
JD: Nein, das tu ich überhaupt nicht, das hab ich nur als Facette angeschnitten.
CPM: Können Sie auch von einer anderen Facette reden?
JD: Von was für einer, ob mir was gefällt oder nicht? Ich gehe halt in Köln in eine Galerie rein, drei Stunden vor einer Eröffnung und frag: „Was kostet die Scheiße?" Und dann weiß ich eh schon, der Galerist ist pleite und ich handle halt runter – und dann kauf ich das ganze Zeugs z.B.; so sammle ich – ich hab immer nur so gesammelt.
CPM: Ja, das ist eine gute Antwort.
JD: Ich sag immer nur die Wahrheit, ich mach doch keinen Schmonz, ich bin doch kein Kunsthistoriker.
BCE: Mein Zugang zur Kunst hat ganz andere Gründe. Natürlich, überall spielt das Finanzielle eine Rolle.
JD: Sie können doch kein Geld ausgeben, das Sie nicht besitzen. Man muß doch darüber nachdenken, was kostet die Scheiße? Ich weiß aber, der Künstler muß auch von was leben – also muß ich die Balance halten zw. Fairheit und Günstigkeit für mich. Wenn der Künstler dann noch weltberühmt werden sollte.., aber von mir ist noch kein Künstler weltberühmt geworden – die waren es teilweise vorher, teilweise aber nie. Die Künstler waren immer meine Freunde.
BCE: Ja, das ist auch für mich ein wichtiges Kriterium bei der Auseinandersetzung mit Kunst.
JD: Ich hab gelernt durch die Kunst, weil ich selbst kein Künstler bin.
BCE: Bei mir war einer der wichtigsten Gründe warum ich mich mit der Kunst auseinandersetze, daß ich ein relativ unregelmäßiges Leben mit starken geographischen, sozialen, politischen Änderungen gehabt hatte. Und was daraus entstanden ist, ist dieser Konflikt der verschiedenen Erlebnisse. Das Problem ist, daß ich in jeder sonstigen Tätigkeit, die ich habe, immer nur einen bestimmten Teil von mir zeigen kann.
JD: Wieviele Schalen haben Sie als Zweifel?
BCE: Na eben, das wollte ich sagen – Sie könnten sagen ich habe 100 Schalen oder 200, aber das Entscheidende ist nicht, daß ich so viele Schalen habe, sondern was für eine Gedankenwelt daraus entsteht, wenn man mehrere Schalen hat. Was mich an der Kunst interessiert, jedenfalls an der modernen Kunst, ist, daß ich den Eindruck habe, viele der Ideen, die in mir schwirren, wiederzufinden. Also nicht auf identische Weise, sondern wie eine ähnliche Sprache. Deshalb ist für mich, für meinen Zugang zur Kunst, wichtig einen Zugang zum Künstler zu haben.
JD: Aber Sie wohnen in einem Bauernhof 200 km weg von der nächsten Großstadt. Hat man da überhaupt Zugang zu Kunst?
BCE: Ja, ich bringe eben die Künstler hin, indem wir eine Wohnung oder ein kleines Haus für sie dort richten, indem wir sie einladen.
JD: A la Klimt in Attersee?
BCE: Ja, genau das ist etwas, was mich interessieren würde.
JD: Die schönsten Bilder von Klimt sind in dem eigens für Klimt hergerichteten Bauernhaus entstanden. Es sind die schönsten Blumenstilleben der österreichischen Kunst, die ich kenne. Sie sind dort, mit dem Blick aus dem Fenster, entstanden.
BCE: Was mich mehr interessiert hat, als jetzt die Skulptur dort stehen zu haben und sie zu sehen, ist, mit dem Künstler die Gelegenheit gehabt zu haben, das zusammen zu entwickeln. Ästhetisch schön oder nicht schön, ist nicht so sehr die Frage.
JD: Habt‘s Ihr so schlechtes Fernsehprogramm da oder kriegt‘ Ihr so wenig Sender, daß Sie Künstler brauchen zur Unterhaltung? Habt‘s Ihr einen Konzertsaal?
BCE: Nein, haben wir alles nicht, nein.
JD: Dann würde ich doch statt der Betonplatte einen Konzertsaal bauen.
BCE: Für Musik interessiere ich mich im Moment nicht so sehr, nein. Beim ersten Künstler, dem Heimo Zobernig, war es nicht so, daß ich mich intellektuell hingesetzt habe und gesagt habe, Bertran, was möchtest du jetzt machen? Und jetzt wählst Du zwischen den fünfzehn Künstlern, wählst Du ihn aus. Sondern ich bin weitgehend zu ihm durch Gespräche mit Freunden und Beratern gekommen. Ich entscheide also gar nicht mehr sehr viel.
CPM: Aber Du wählst ja schließlich aus, und das ist dann eine Einladung und ist Engagement, und Du gibst den Künstlern eine bestimmte Summe. Das ist schon eine Entscheidung, ob man was macht und das ausstellt im Garten.
JD: Man kann dem Künstler niemals vorschreiben, was, sollte er Geld kriegen, und hoffentlich kriegt der Künstler Geld, was ihm ja hoffentlich auch zusteht, was für ein Produkt herauskommen soll. Das würde ich nie in meinem Leben wagen. Da fall ich auf die Schnauze von mir aus, sag ich okay, fall ich, also gut, aber dem Künstler würd ich niemals sagen, gehen‘s bittschön, das muß schon ein bissel anders werden.
BCE: Das sind auch einige meiner ganz fixen Ideen.
JD: Er hat ja das Glück, daß sein Park viel lebendiger ist als meiner. Meiner ist ja sehr streng, also viel langweiliger. Er hat ja den Trick der vielen Baumgruppen, was schon in sich selbst eine Skulptur ist. Ich bin viel gehandikapter als Sie, verstehen Sie. Aber da würde ich sagen, vielleicht schöpfen wir was für dieses Eck, also für diese Entourage, oder wie Sie‘s nennen wollen. Aber ansonsten kann ich dann nur sagen, so, und jetzt mach halt...
BCE: Ja, und ich möcht das fortführen wegen der Entscheidung. Ich sag nicht einmal dem Künstler, wo er‘s machen soll, sondern ich sag, das ist der Park, das sind die Gegebenheiten und das sind die Ausmaße. Und ich geb ihm die Dokumente und aufgrund von dem schaut er sich‘s an und er wählt. Es stimmt schon, daß, wenn er sagt, er möchte das Schloß rosa anmalen, werde ich wahrscheinlich nein sagen.
JD: Da sagt er, die Mama schreit!
BCE: Aber auch bei der Entscheidung bin ich nicht so wichtig, wie Du‘s vorher dargestellt hast.
JD: Ist man wirklich ganz unwichtig, wenn man ja sagt, kann man nichts mehr machen.
BCE: Wir hatten einmal mit Joseph Kosuth eine Diskussion. In meiner ziemlichen Dynamik erklärte ich ihm, was ich alles machen will und da sagte er mir, aha, ich verstehe, Du möchtest einen Tiergarten für Skulpturen machen. Und das war genau damals für mich irrsinnig wichtig zu erkennen, daß ich keinen Parkplatz für Skulpturen machen möchte. Es interessiert mich nicht, in meinem Park hier eine Skulptur und dort eine Skulptur stehen zu haben.
JD: Schauen Sie, jedes Bild braucht seinen Rahmen, jede Skulptur, jede Schöpfung braucht doch le cadre‘, braucht es, finde ich.
BCE: Ja, das ist die Frage. Braucht ein Bild wirklich einen Rahmen, der Rahmen kann verschiedenst ausschauen.
JD: Ich sprech‘ nicht von Lindenholz, vergoldet.
BCE: Die fertige Skulptur ist für mich nicht so wichtig, sie ist wichtig, aber nicht so wichtig wie die Bewegung, die entsteht durch die Idee oder durch das Projekt und was mich interessieren würde, ist eine Spannung zu erzeugen im Park zwischen den Skulpturen, zwischen den Künstlern und mir, zwischen der umliegenden Bevölkerung und mir, daß sich da etwas auf dem kulturellen Sektor in Bewegung setzt.
JD: Sie sind eben ein reiner Amateur.
CPM: Wenn ich Sie unterbrechen darf, was mich da interessiert hat, Sie hier zusammen zu bringen, ist auf der einen Seite eben dieser noch nicht existierende Skulpturenpark und dann Ihr Projekt von der Ludwigstraße.
JD: Die Ludwigstraße ist ein Non-Profitbetrieb zum Entsetzen meiner Familie, aber ich seh das als Vorzimmer für hier.
CPM: Ja, ich möchte das jetzt genauer wissen, was aus dem werden soll. Soll das jetzt ein Privatmuseum werden oder?
JD: Einen Moment mal, mein Lieber, ich sag Dir nochmal.... Was sollen diese Auskünfte? Fragen‘s doch einmal, warum die neue Bankfiliale in Genf eröffnet wird.
CPM: Aber das hat doch ganz direkt mit Ihrer Sammlung zu tun...
JD: Ach geh, quatsch. Das ist halt just for fun, ich sammle überall, wo ich bin sammle ich und kauf ich.
CPM: Also Sie nehmen das nicht ernst und sagen: das ist just for fun!
JD: Ja, ich nehme meinen Sport immer ernst, das ist der einzige Sport, den ich treibe, sammeln. Ich sammle alles. Das ist die Wahrheit, sonst geht dieses Haus gar nicht. Ich hab ja nicht das Glück und die Gnade, daß ich geerbt habe. Ich habe alles selbst geschaffen.