Eiserner Vorhang 2014/2015

Vorhang zu!

(Erschienen in: Das Magazin, Nr. 5/6, 31.01.2015, S. 43)

Robert Musil schrieb irgendwo in seinem Mammutbuch «Der Mann ohne Eigenschaften», dass Kunst oft dort auftaucht, wo man sie am wenigsten erwartet. Und dann auch ganz besondere Wirkung entfaltet. Mich hat diese Idee, Kunst an Orten zu zeigen, wo man sie nicht erwartet, von meinen ersten Anfängen an interessiert, als ich Ausstellungen in meiner Küche machte, in einem Hotel oder Restaurant. In den 90er-Jahren wurde dieser Ansatz dann auch institutionell weitergetrieben, und Kunst erschien plötzlich nicht nur auf öffentlichen Plätzen, sondern auch auf Werbeplakaten und sogar auf Flugzeugen. Erhalten hat sich aus jenen Tagen das museum in progress in Wien, das eben kein Museum im eigentlichen Sinn, sondern ein Kunstermöglichungsort ist. Eines seiner Projekte besteht darin, jedes Jahr einen anderen Künstler damit zu beauftragen, den «Eisernen Vorhang» der Wiener Staatsoper zu gestalten.

Der Ort ist für ein Kunstwerk ideal, denn das Publikum – Hunderttausende im Jahr – verbringt vor Beginn der Vorstellung und in den Pausen ja doch relativ viel Zeit vor der verdeckten Bühne. Seit 1998 haben auf der riesigen, vom Bühnenportal gerahmten Bildfläche schon so berühmte Künstler wie Richard Hamilton, Maria Lassnig, Rosemarie Trockel, Jeff Koons oder David Hockney ihre Entwürfe gezeigt. Dieses Jahr ist es die legendäre Video- und Performancekünstlerin Joan Jonas, deren Werk derzeit auch noch in Mailand sowie ab Mai – als Vertreterin der USA im amerikanischen Pavillon – auf der Biennale in Venedig zu sehen ist.

Jonas ist eine Idealbesetzung für die Oper. Sie wurde 1936 geboren und lebt seither in New York, wo ihre Arbeiten seit den 60er-Jahren um das Theater kreisen. In vielen ihrer Performances bezieht sie Schauspieler, Tänzer und Requisiten mit ein, oft auch die Zuschauer. 1975 schuf sie eine Werkserie: «My New Theater»; es besteht aus drei aufgebockten Sperrholzkisten. Blickt man hinein, sieht man Videos von Performances, wie in einem virtuellen Minitheater.

Für Wien hat Jonas eine Zeichnung angefertigt, die von keltischen Ritualen, ihrerseits Vorformen der Theateraufführung, inspiriert ist. Sie sieht zunächst sehr einfach aus, nach einer Art Labyrinth, doch je tiefer man sich hineinversenkt, desto verwirrender wird das Spiel zwischen der Mikro- und der Makroebene der Linien, bis man sich schliesslich in dem Labyrinth – wie in einer packenden Oper – völlig verliert.

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