In der lebendigen Zagreber Kunstszene, die sich auch immer wieder ihrer bedeutenden Tradition versichert, verfolgt Aleksandar Battista Ilić konsequent einen den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der neunziger Jahre ausgerichteten konzeptuellen Ansatz. Er steht damit im Einklang mit den international vielfach zu beobachtenden Haltungen und Handlungen der Künstler, die den Elfenbeinturm einer selbstreferentiellen Kunst verlassen und sich auf einen neu strukturierten Dialog mit der Realität einlassen. Unter den zahlreichen Möglichkeiten der Beobachtung von kulturell oder sozial bestimmten oder von im privaten Bereich angesiedelten Vorgängen, Mechanismen und Strukturen bezieht sich Battista Ilić in „WEEKEND ART“ vordergründig nicht auf die Öffentlichkeit, sondern auf die Privatheit. Ihr verleiht er über das Foto einen künstlerischen und letztlich wieder öffentlichen Status.
Das Konzept ist scheinbar einfach: Eine Künstlerin (Ivana Keser) und zwei Künstler (Aleksandar Battista Ilić und Tomislav Gotovac) unternehmen Woche für Woche einen Sonntagsspaziergang in der hügeligen Umgebung ihrer Heimstadt, in den Medvednica-Bergen bei Zagreb. Wie, je nach Wetterlage, hunderte andere Zagreber auch. Diese Wanderungen mit allen bekannten Begleitumständen wie Gehen, Rasten, Picknick werden regelmäßig mittels Selbstauslöser fotografisch dokumentiert: Mehr als 400 Dias sind seit 1996 entstanden, viele hundert werden noch folgen. Die Dias werden als Kunstprojekt einerseits in Museen und Galerien vorgeführt, anderseits reproduziert und als Postkarten über die ganze Welt, an Freunde und Kunstinstitutionen verschickt. Durch die Konzeption, die von der Entscheidung getragen wird, diese privaten Dokumente zu veröffentlichen, kann der Inhalt der Dokumente zu einer künstlerischen Form, der alltägliche Spaziergang zur Performance, werden.
Damit stellen sich im Bereich der Kunst wie auch im Bereich nichtkünstlerischer sozialer Archive mehrere Fragen: Zum einen die nach dem Differenzpunkt, der über Zuordnung von Bildproduktionen entscheidet, zum anderen die, wie sich überhaupt eine banale von einer künstlerischen Ikonografie unterscheiden kann. Eine solche Fokussierung scheint uns unweigerlich auf den Weg in Richtung Ready-made zu führen. Doch am Beispiel von Battista Ilić ist dieser Weg, gemessen an den für das Ready-made streng anzulegenden Kriterien, eine Sackgasse. Nicht die bewußte Wahl eines beliebigen – oder zumindest für beliebig gehaltenen – Gegenstandes und seine Präsentation im Kunstkontext stehen im Mittelpunkt der Überlegungen, sondern der Nachvollzug von trivialen Handlungen, die sich rasch als ebenso privat wie sozial konfiguriert erweisen. Diese Konfiguration verändert die Lesart des künstlerischen Konzepts. Selbst wenn man das zum Kunstwerk erklärte Objekt mit dem künstlerisch verwendeten Dokumentationsmaterial eines beliebigen Spaziergangs gleichsetzen könnte, ergeben sich durch die eingezogene Projektionsfläche der banalen sozialen Handlung automatisch andere Konsequenzen. Der Umraum des Künstlers wird als ebenfalls sozial bestimmter, an Ort und Zeit gebundener definiert. „WEEKEND ART“ produziert nicht nur Bilder von Künstlern (als Spaziergänger), sondern projiziert ein aktuelles Künstlerbild: bestimmt durch die – zumindest aus der Sicht des Künstlers – gesellschaftliche Integration, die ihm die Arbeit in der „realen Realität“ erst ermöglicht. Als Teil des gesellschaftlichen Körpers, der auch auf dem Standard des Sonntagsausflugs in Erscheinung tritt, findet der Künstler die Legitimation für seine Arbeit. Er ist der Wanderer und Performer, der die Wanderungen, gespeichert in den unzähligen privat-sozialen Bildarchiven, konzeptuell formalisiert, als einen Topos des Lebensraumes künstlerisch vorführt: HALLELUJAH THE HILL!.
(1997)
Interventionen in progress 09