TransAct 45

TransAct Statement

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Bescheid 201.132/25-II/04/99 20000110, Verfasser Dr. Balthasar
Norm AsylG 1997 §7 AsylG 1997 §12

S P R U C H

Der unabhängige Bundesasylsenat hat durch das Mitglied Dr. BALTHASAR gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 38 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 idF BGBl. I Nr.4/1999 (AsylG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 7.6., 24.11. und 10.12. 1999, entschieden:

I. Der Berufung der S. J. vom 04.12.1997 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.11.1997, ZI 97 05.075-BAT, wird stattgegeben und S. J. gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg. cit. wird festgestellt, dass S. J. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

BEGRÜNDUNG

Die nunmehrige Berufungswerberin [Frau J. S. Kinder: J. S. J. P., Betreuungsstelle des BMfI 4362 Bad Kreutzen] hat anlässlich ihrer Einvernahme ihre Asylgründe wie folgt angegeben: „Ich bin afghanische Staatsangehörige, moslemischen Glaubens, seit 1985 verwitwet, Angehörige der pashtunischen Volksgruppe. Mein Gatte starb im Zuge des in Afghanistan herrschenden Krieges. In Afghanistan ist es Brauch, daß die Witwe nach dem Tod ihres Gatten bei ihrem Schwager weiterleben muß. Da ich das nicht wollte, nahm mir mein Schwager meinen Sohn nach dem Tod meines Gatten weg. Ich war von 1986 bis 1992, als es zum Sturz Nadjibullahs kam, Mitglied der Demokratischen Khalgh-Partei. Als die Taliban im September 1996 nach Kabul einmarschierten, wurde von den Taliban verboten, daß eine Frau ohne männliche Begleitung auf die Straße geht. Weiters wäre ich noch mehr gefährdet gewesen, hätte ich mich in meine Dienststelle begeben und mein Gehalt eingefordert. Die Taliban hätten mich mit Sicherheit festgenommen und eingesperrt. Ich hatte von Fällen gehört, wo ehemalige Beamtinnen von den Taliban umgebracht worden waren. Ich übersiedelte Meinen Vater ließen wir in Kabul zurück, da wir nicht genug Geld für alle hatten. Als Grund für meine Flucht gebe ich an, daß ich seit der Machtergreifung durch die Taliban Angst hatte, daß man meine beiden Töchter entführt und sie zum Heiraten zwingt, da die Taliban ein Gesetz erließen, wonach Mädchen ab dem 10. Geburtstag heiraten müssen. Und schließlich hatte ich Angst, daß mich die Taliban aufgreifen und ermorden, da ich einmal als Beamtin gearbeitet habe und Mitglied der Khalgh-Partei war. Für die Taliban war mein ‚Vorleben’ mit Sicherheit ein Grund, mich zu ermorden. Da beschloß ich, in einem anderen Land ein neues Leben zu beginnen, wo es meinen Töchtern möglich ist, eine ordentliche Schulbildung zu genießen, und ich einer Arbeit nachgehen kann, ohne daß mir dadurch Verfolgung droht.“

Dieses Vorbringen wurde von der Behörde erster Instanz im angefochtenen Bescheid wie folgt bewertet: „Sie konnten keine Umstände anführen, die die Annahme rechtfertigen würden, daß Sie persönlich in Ihrem Heimatstaat Verfolgungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, das heißt aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt waren Es ist nicht nachvollziehbar, daß eine Person, die Angst vor dem Umgebrachtwerden hat, ein Jahr zuwartet, um sich erst dann dem unmittelbaren Zugriffsbereich der sie bedrohenden Personen zu entziehen. Aufgrund obiger Ausführungen ist es nun nicht statthaft, Ihnen die zur Asylgewährung zwingend erforderliche Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, weshalb auch die Asylgewährung in ihrem Fall ausgeschlossen ist.“

Zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes führte der unabhängige Bundesasylsenat eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung, unter Beiziehung eines Sachverständigen durch. das Gutachten enthielt neben allgemeiner Hintergrundinformation folgende Antworten: „Die Angaben der BW stimmen nach meiner Einschätzung mit ihrem beruflichen Werdegang überein: 1. Sie hat ihre berufliche Laufbahn zutreffend beschrieben. 2. Auch aus den Farsi-Ausdrücken der BW konnte ich entnehmen, daß ihre Ausdrucksweise (der) einer gebildeten Exekutivbeamtin aus Afghanistan entspricht. Offensichtlich hat die BW gegen die traditionellen Normen gehandelt. “

Hiezu finden sich folgende Ergänzungen: „SV ergänzt zu Punkt VI/Frage 1, Z 2, dass er sich an zwei am 7.6.1999 von der BW gebrauchte Ausdrücke bzw. Ausdrucksweisen erinnere bzw. beziehe, und zwar a) an den Ausdruck ‚Zarandoy’, welcher ‚Polizei’ bedeutet; dieser dem Paschtu entnommene Begriff bezeichnete ursprünglich ‚Pfadfinder’ und wurde 1978 vom Regime propagiert, wurde aber nie populär; b) daran, dass die BW sich ausdrücklich gegen die von der Familie ihres Mannes projektierte Heirat mit ihrem 80-jährigen Schwager gewandt habe, was eine in traditionellen afghanischen Lebens- und Denkmustern verhaftete Frau niemals getan hätte. “

Der unabhängige Bundesasylsenat hat erwogen: Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ausschließlich die Frage, ob es iSd des § 7 AsylG „glaubhaft“ sei, dass der Berufungswerberin zum gegenwärtigen Zeitpunkt asylrelevante Gefahr in ihrem Herkunftsstaat drohe.
„Glaubhaft“ ist die geltend gemachte Bedrohung schon dann, wenn mehr Gründe für deren Vorliegen als für deren Nichtvorliegen sprechen Diese Voraussetzungen erachtet das hier entscheidende Mitglied im hier zu entscheidenden Fall für gegeben: zumal „für inoffizielle Personen“ wie die Berufungswerberin, nach wie vor über keinen offiziellen Grenzübergang vom Ausland betretbar ist so ist jedenfalls genügend „glaubhaft“ iSd § 7 AsylG, dass der Berufungswerberin im Falle ihrer Rückkehr sowohl direkte Verfolgung durch die Taliban in asylrelevanter Intensität wie auch – mangels Perspektive eigener Berufstätigkeit in Verbindung mit der fehlenden Unterstützung durch diejenigen „Stammesgesellschaften“ in Verbindung endlich mit dem Umstand, dass auch eine ausschließliche Unterstützung durch den in Kabul, also dem Zentrum der Taliban, lebenden, 67 jährigen Vater der Berufungswerberin weder gefahrlos noch dauerhaft genug gesichert erscheint, um der Berufungswerberin zumutbar zu sein – ein völliger Verlust der Existenzgrundlage drohte, Danach aber liegen gegenwärtig die von § 7 AsylG geforderten Voraussetzungen für eine Gewährung von Asyl an die Berufungswerberin vor, weshalb spruchgemäß der Berufung stattzugeben und die Feststellung gemäß § 12 AsylG zu treffen waren.

Dieser Bescheid wurde am 10.12.1999 öffentlich verkündet.


Bescheid 206.350/8-II/o4/99 19990601
Verfasser Dr. Balthasar
Norm AsylG 1997 §6 AsylG 1997 §8

SPRUCH

Der unabhängige Bundesasylsenat hat durch das Mitglied Dr. BALTHASAR gemäß entschieden:

„I) Der Asylantrag des A. U. (auch A.) S. vom 20.7.1998 wird gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen.

II) Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des A. U. (auch A.) S. nach Bangladesch ist gemäß § 8 AsylG zulässig.“

BEGRÜNDUNG

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Berufung, in welcher sich zu Spruchteil I folgende Ausführungen finden: „Die belangte Behörde übersieht, daß ein Asylantrag nur dann als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden kann, wenn es offensichtlich und eindeutig ist, daß der Asylantrag jeglicher Grundlage entbehrt. Ich habe bereits klar dargelegt, daß ich als Mitglied der BFP regelmäßig an Demonstrationen teilgenommen habe. Bei der Demonstration am 15.6.98 und am 17.6.98 unserer Partei kam es zu gewalttätigen Übergriffen durch Mitglieder der Awami League, wobei zahlreiche Personen verletzt wurden. In der Folge wurde gegen mich eine Anzeige wegen Körperverletzung eingebracht und werde ich in meinem Heimatland von der Polizei gesucht. Die Anzeige ist lediglich ein Scheinvorwurf, mich wegen meiner politischen Tätigkeit zu verfolgen. Zahlreiche Berichte belegen, daß immer wieder Menschen unter ungeklärten Umständen während ihrer Haftzeit verschwinden oder Tod aufgefunden werden. Ebenso gibt es häufig gezielte Anschläge gegen politisch aktive Personen, die auf offener Straße erschossen werden bzw. verschwinden und niemals gefunden werden. Vielmehr werden Kundgebungen gegen die Regierung in meinem Heimatland generell untersagt, was dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit widerspricht. Solche friedlichen Kundgebungen finden in Bangladesch allmonatlich statt und kommt es jedesmal zu Verhaftungen im Gewahrsam der Polizei zu Folterungen und extralegalen Hinrichtungen. Die erkennende Behörde kommt zu der Feststellung, daß Bangladesch seit dem 6.8.91 eine parlamentarische Demokratie nach englischem Vorbild ist. Weiters vermeint die erkennende Behörde auf Seite 2 o.g. Bescheides, daß die staatlichen Stellen Bangladeschs aufgrund der Gesetze alle Bürger gleich behandeln würden und eine gut organisierte und funktionierende Gerichtsbarkeit bestehen würde. Es ist jedoch Tatsache, daß die Polizei mit der regierenden Partei zusammenarbeitet und daß politische Gegner ohne Gerichtsverhandlung oft monatelang festgehalten werden. Dies geht aus o. g. Berichten hervor. Beweis: Meine persönliche Einvernahme, einzuholende Stellungnahmen bzw. Gutachten von UNHCR, amnesty international, Sektion Deutschland, und Ludwig Boltzmann-Institut für Menschenrechte zur Richtigkeit meiner Angaben der mir drohenden Verfolgung und zur Situation in meinem Heimatland. Die erkennende Behörde stellt fest, daß meine Identität mangels vorliegender Dokumente nicht feststeht Ich erwarte in ungefähr drei Monaten meine Dokumente die ich sofort nach Erhalt der erkennende Behörde weiterleiten werde “

Der unabhängige Bundesasylsenat stellte fest, dass der nunmehrige Berufungswerber mit folgendem Vorbringen protokolliert ist: Frage (des VL): Wie gesund ist Ihrer bisherigen Erfahrung nach das in Bangladesch zur Verfügung stehende Trinkwasser. Beantworten Sie diese Frage bitte konkret mit Blickrichtung auf Ihre mögliche Rückkehr nach Bangladesch? A: Ich glaube, dass die Qualität des Trinkwassers nicht so besonders ist. Wenn es Überschwemmungen gibt, ist das Wasser in den Dörfern nicht trinkbar. 1. Nachfrage: Welche Mittel kennen Sie, um die Gesundheitsschädlichkeit dieses Wassers zu beseitigen? A: Ich muss einiges machen, und zwar muss ich es vor dem Trinken abkochen. Dann ist es nicht mehr gesundheitsschädlich.
Der unabhängige Bundesasylsenat hat erwogen: Zu Spruchteil I: Gemäß § 6 AsylG sind Asylanträge gemäß § 3 als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren da sie der Auffassung war, dass sich dem Vorbringen des Asylwerbers „kein Hinweis auf asylrelevante Verfolgung“ im Herkunftsstaat entnehmen lasse Der Asylwerber hat daher bereits im Verfahren erster Instanz mit hinreichender Deutlichkeit behauptet, dass die „Anzeige wegen illegalen Waffenbesitzes“ politisch motiviert gewesen sei. Demnach aber durfte der gegenständliche Asylantag nicht unter Berufung auf § 6 Z 2 AsylG abgewiesen werden Nach den vom unabhängigen Bundesasylsenat während des Berufungsverfahrens getroffenen ergänzenden Feststellungen ist jedoch das Vorbringen des Berufungswerbers so unglaubhaft, dass dieser Asylantrag § 6 Z 3 AsylG subsumieren ist: Zunächst ist schon darauf hinzuweisen, dass die vom Berufungswerber in seiner Berufung vom 21.10. 1998 selbst gesetzte dreimonatige Frist abgelaufen ist, ohne dass der Berufungswerber diese Dokumente auch tatsächlich vorgelegt hätte. so stammt diese Kenntnis offenkundig (erst) aus dem in bengalischer Sprache erhaltenen Printmedium das hier entscheidende Mitglied ist weiterhin der Auffassung, dass dieses „gesteigerte Vorbringen“ schon bei isolierter Betrachtung unglaubwürdig ist dass der Berufungswerber offenbar nicht einmal imstande war, die Namen der obersten Führer der Freedom-Party ohne Blick in das mitgebrachte Printmedium zu beantworten. Für den unabhängigen Bundesasylsenat besteht daher abschließend kein Zweifel daran, dass das Vorbringen des Berufungswerbers offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht.
Zu Spruchteil II: Auch der unabhängige Bundesasylsenat vermochte im gegenständlichen Fall einem Refoulement des Berufungswerbers nach Bangladesch entgegenstehende Gefahren, iSd § 57 Abs. 1 FrG nicht zu erkennen, zumal die festgestellte Effizienz der bangladeschischen Justiz auch sicherstellt, dass Gefahren iSd § 57 Abs. 1 FrG nicht die genügende Intensität erreichen und weiters der Berufungswerber auf diesbezügliche Nachfrage ausdrücklich bestätigt hat, dass die Qualität des in Bangladesch verfügbaren Trinkwassers zwar nicht „so besonders“ sei, eine Gesundheitsschädlichkeit desselben aber durch Abkochen vor dem Trinken vermieden werden könne.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Dieser Bescheid wurde am 29.1.1999 öffentlich verkündet. Die mehrmonatige Verzögerung bei der schriftlichen Ausfertigung ist darauf zurückzuführen, dass der Akt zwischenzeitlich in Verstoß geraten war.

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Ferdinand Schmatz,
Autor


Wien, Juli 2K

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