some establishing shots (arbeit)

some establishing shots (arbeit)

Die Arbeiten Dorit Margreiters drehen sich um die Produktion von Raum: Raum als Ort und als sozialer Raum. Unser Alltagsleben mit seinen Fiktionen und Mythen, mit seinen Sehnsüchten und Manipulationen ist eine wichtige Ressource der inhaltlichen und ästhetischen Überlegungen der Künstlerin. Um den Ausdehnungen und Verzweigungen des Bereichs Alltag nachzuspüren, setzt sie verschiedene Strategien ein: Für das Plakatprojekt Arbeitswelten der Arbeiterkammer Wien untersucht sie den Einfluss der Fiktionen aus der Film- und Fernsehindustrie auf die Wirklichkeit unseres Lebens.

Das Fernsehen ist das wahrscheinlich alltäglichste und global verfügbarste aller Medien. Kaum ein Format schöpft unverfälschter aus unserer Alltagserfahrung als die TV-Serie. Soap Operas und Sitcoms screenen die verschiedenen Modelle von Wirklichkeit. Ihre Beliebtheit beruht auf der schlauen Aufarbeitung der Absurditäten des Lebens in der modernen Großstadt, der Phantasien und Ängste, die allen Industriestaaten am Beginn des 21. Jahrhunderts gemein sind. In höchst banalen, gelegentlich aber auch komplexen Plots werden die Möglichkeiten menschlicher Existenz abgefragt. Neben der privaten ist im wesentlichen die Berufswelt Thema der Handlung, verschiedene Milieus vom Krankenhaus über Fast Food Restaurants bis zur Werbeagentur sind der Hintergrund für Episoden, die sich um die Ups and Downs im Job drehen.

Im Zuge ihrer langjährigen Beschäftigung mit dem Genre hat Margreiter eine Sammlung sogenannter Establishing Shots angelegt, Einstellungen, die den jeweiligen Schauplatz im Film vorstellen, wie etwa eine Ansicht der Stadt Dallas im Vorspann der gleichnamigen Serie. Darunter sind immer wieder Bilder, die den unmittelbaren Arbeitsbereich der Protagonisten zeigen. Diese Images macht Margreiter zur Grundlage ihrer komplexen gesellschaftsrelevanten Arbeit: Kunst als Konvergenzkriterium auf der Plakatwand vor der Zentrale der Arbeiterkammer. Die Stelle, an der sich die Geschichten von fiktiven Arbeitssituationen der Realität maximal annähern, wo reale und mediale Situationen zu einer modellhaften Skizze von (Arbeits-) Situationen verschalten. Wie sich Wirklichkeit unter dem Einfluss der TV Industrie konstruiert, untersucht Dorit Margreiter mit einer raffinierten Parallelführung von Realität und Fiktion. Die Wunschproduktion durch Fernsehserien wird als Faktor definiert und in der Bildchoreographie der Affiche re-inszeniert.

Margreiter bezieht sich aber auch auf die urbane Situation des Gebäudes der Arbeiterkammer, das als Metabühne und Folie für den versteckten Plot auf den Bildern mit im Spiel ist. Ein real-symbolischer Raum entsteht, ein mentaler Raum, in dem soziale Gefüge und Konstellationen erfahrbar werden.

Dorit Margreiter ist Künstlerin und gleichzeitig Autorin, Kuratorin und Graphic Designerin. Die Facetten der Berufe überlagern sich, wie die Operationsebenen ihrer Kunst montageartig ineinandergreifen. Sie ist eine prominente Vertreterin jener zentralen Bewegung der 90er Jahre, die sich mit der Analyse der Repräsentations- und Vermittlungssysteme der Kunst befasst. Künstler mischen sich in Bereiche ein, die über das ihnen zugedachte Feld der Ästhetik hinausgehen, sie mischen sich in ökologische, ethnologische, architektonische und politische Debatten ein. Es geht um Kritik an der Wirklichkeit, um die Analyse sozialer Prozesse. Die Interaktion zwischen Künstlern und sozialer Situation, zwischen Kunst und außerkünstlerischem Kontext hat zu einer neuen Kunstform geführt, in der all diese Elemente zusammenfallen.

(März 2002)

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