Sehr geehrte Kollegen,
mit großer Beunruhigung beobachte ich die jüngste politische Entwicklung in Österreich. Mein ganzes Leben außer der letzten zehn Jahre habe ich in einem Staat gelebt, der durch die extremistische Ideologie des sogenannten Sozialismus beherrscht wurde, der bekanntlich enge Berührungspunkte mit dem Faschismus aufwies. Ich brauche die schier unglaubliche Verwüstung der kulturellen, gesellschaftlichen und vor allem moralischen Werte in allen Schichten der Gesellschaft, die eine Folge der faschistoiden Herrschaft der Kommunisten war, wohl nicht zu beschreiben. Gerade heute ist es wichtig zu erinnern, daß für uns in der Tschechoslowakei gerade das Österreich der siebziger und achtziger Jahre ein gewisses Vorbild war, wie ein normaler demokratischer Staat funktioniert. Mittels zu Hause gefertigter Fernsehantennen haben wir heimlich das österreichische Fernsehen als eine der wenigen nicht zensurierten Quellen von Information über das Geschehen in der freien Welt verfolgt. In unserer damaligen tiefen Isolation und Weltabgeschiedenheit konnten wir uns nicht vorstellen, daß sich die Situation unserer beiden Seiten jemals wenden, ja sogar umkehren könnte. Die tiefe persönliche und lebenslange Erfahrung mit einem extremistischen Regime führt uns dazu, daß wir uns nur zu genau vorstellen können, was dieses Gedankengut, dessen Repräsentanten nun Bestandteil der Regierungskoalition in ihrem Land geworden sind, bringen kann. Gestatten Sie, daß ich Ihnen für mich und für alle meine Kollegen in der Galerie unsere Unterstützung für ihre Bemühungen ausspreche, einen pauschalen Boykott des kulturellen Lebens in Österreich zu verhindern.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Petr Nedoma
Kunsthistoriker Prag
Direktor der Galerie Rudolfinum
Prag, am 29. Februar 2K
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