Josef Ortner

Gemeinsam mit Kathrin Messner gründete Josef Ortner 1990 museum in progress und 1995 die one world foundation (www.owf.at).

 
(09.08.1956 – 30.03.2009) Geboren in Tirol, wurde Josef Ortner schon früh in der lebendigen Kunstszene Innsbrucks der siebziger Jahre sozialisiert und mit der zeitgenössischen Kunst vertraut, so lebte er in Innsbruck in einer Künstlerkommune und war Mitarbeiter der legendären Galerie Krinzinger. Später studierte er Grafik und Malerei bei Oswald Oberhuber an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien und war zwei Jahre privater Assistent von Hermann Nitsch. Josef Ortner hatte stets eine starke Affinität zur Architektur, materiell wie immateriell, und verstand sich selbst als Konzeptkünstler und „Künstlerunternehmer“.

1978 lernte er Kathrin Messner kennen und lieben und blieb mit ihr bis zu seinem plötzlichen und völlig unerwarteten Tod am 30. März 2009 zusammen. Gemeinsam – wie alle weiteren Stationen ihres gemeinsamen Lebens – schufen sie Die Bar, eine Cocktailbar als Künstlertreff mit selbst gestalteter Innenarchitektur im ersten Bezirk in Wien. 1988 eröffneten sie in Naschmarktnähe das Mavo mit einer Club-Bar im geräumigen Kellergeschoß und einem der ersten japanischen Restaurants Wiens im Obergeschoß. Das Besondere des Konzepts war, dass die künstlerische Gestaltung bereits in der Planung der Architektur mitkonzipiert wurde, künstlerische Arbeiten wurden integrativer Bestandteil der Ausstattung. So stammten die Deckenbilder von Franz Graf, die Vorhänge von Peter Kogler, die Sitzgelegenheiten von Mathis Esterhazy oder die Getränkekarte von Gerwald Rockenschaub, um nur einige zu nennen. Das zeitlose Ensemble trug in vielen Details und in seiner Gesamtheit die Handschrift Ortners. Nach einigen Jahren wurden sowohl Die Bar als auch das Mavo verpachtet.

Nach diesen realen Architekturen schuf Josef Ortner mit dem 1990 gegründeten museum in progress (www.mip.at) eine immaterielle Architektur. museum in progress ist ein innovatives Museumsmodell, das Medienräume als Ausstellungsräume für zeitgenössische Kunst begreift und so Gegenwartskunst einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht. Die Praxis von museum in progress ist medienspezifisch, kontextabhängig und temporär. Künstlerische Beiträge werden in Tageszeitungen, Magazine, auf Plakat- und Großbildflächen, ins Internet oder Fernsehen geschleust, vorbei an den bisherigen Vermittlungskanälen von Kunst direkt in den Alltag. Indem Kunst in einem öffentlichen Medium erscheint, an einem Ort, wo die Betrachter/innen zunächst nicht damit rechnen, mit Kunst konfrontiert zu werden, können Irritationen entstehen, die zeigen, dass museum in progress im Sinne eines erweiterten Kunstbegriffs operiert. Was mitunter von manchen als „politische Agitation“ (miss)verstanden wurde, war stets und ausschließlich künstlerische Praxis an der Schnittstelle von Kunst und Leben.

Durch innovative Kooperationsmodelle zwischen Kunst, Wirtschaft und Medien werden die mip-Ausstellungen realisiert. Von einer kleinen, flexiblen Basisstruktur in Wien ausgehend, schuf museum in progress so über die Jahre ein internationales Kooperations-Netzwerk aus Künstler/inne/n, Kurator/inn/en, Kunstinstitutionen sowie Partnern aus Wirtschaft und Medien. Immer am Puls der Zeit, den Blick stets positiv in die Zukunft gerichtet, arbeitete Josef Ortner in den Wochen und Monaten vor seinem Tod intensiv an einer Weiterentwicklung des Konzepts von museum in progress, seinem „Museum des 21. Jahrhunderts“. Diese Arbeit, deren Grundstein er noch legte, muss nun ohne ihn fortgeführt werden.

Schon in den 80er Jahren verfolgten Kathrin Messner und Josef Ortner die Idee, parallel zu ihren Aktivitäten in Österreich auch in einem anderen Kulturkreis eine Initiative zu setzen. Die Wahl fiel auf Sri Lanka, wo sie 1984 in Wathuregama, einem kleinen, ländlichen Ort an der Südwestküste Sri Lankas, ein Gästehaus bauten, die Bogenvillya. Nach mehrjähriger Vorbereitung gründeten sie 1995 die one world foundation (www.owf.at), die sich zum Ziel gesetzt hat, Bildungsprojekte in Sri Lanka zu fördern; die owf finanziert sich primär aus den Einnahmen des Gästehauses. Durch die Schaffung von free education units werden Kindern, Jugendlichen und in der Erwachsenenbildung vor allem Frauen eine kostenlose Schulausbildung und berufliche Weiterbildung ermöglicht. Die konsequente Weiterentwicklung und Kontinuität eines anspruchsvollen Schulprogramms soll in Ergänzung zu öffentlichen Schulen das Bildungsniveau im ländlichen Raum Sri Lankas anheben. Die one world foundation ist ein Projekt fairen Austauschs: Im privilegierten Europa erworbenes Kapital und Know-How werden in Aufbau und Erhaltung von Bildungsstrukturen in einer unterprivilegierten Gesellschaft investiert. Dadurch entsteht ein Austausch von Erfahrung und Wissen zwischen verschiedenen Kulturen, ein interkultureller Dialog in einer globalisierten Welt. one world ist dafür Symbol und Code.

1995 wurde die erste one world foundation free education unit Schule für rund 100 Schüler/innen eröffnet. Bis Ende 2004 wuchs die Anzahl nach etlichen Erweiterungen auf zwischenzeitlich rund 700 Schüler/innen an, die in Vorschul-, Englisch-, Computer- und Schneidereiklassen (Women's Cooperation) unterrichtet wurden, ehe der Tsunami vom 26. Dezember 2004 die direkt am Meer befindlichen Schuleinrichtungen der owf in Wathuregama fast vollständig zerstörte. In einer großen Kraftanstrengung, mit Hilfe von großzügigen Spenden, Förderern und Unterstützer/inne/n, gelang der Wiederaufbau. Während der Schulbetrieb in angemieteten Gebäuden provisorisch weiterlief, entwickelte Josef Ortner in Zusammenarbeit mit Architekt Carl Pruscha eine horizontal und vertikal beliebig erweiterbare, modulare Gebäudestruktur für den neuen owf-Schulcampus, der auf einem eigens erworbenen Stück Land in dem einen Kilometer entfernten Ort Ahungalla weiter im Landesinneren errichtet und im Dezember 2006 feierlich eröffnet wurde. Anfang 2009 konnten ca. 1000 Schüler/innen im owf-Hauptcampus in Ahungalla unterrichtet werden.

Mit dem museum in progress und der one world foundation hat Josef Ortner – gemeinsam mit Kathrin Messner – soziale Skulpturen geschaffen. Das ist sein Vermächtnis, das in seinem Sinne mit positiver Kraft fortgeführt werden soll.

(Roman Berka, April 2009)

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