Eiserner Vorhang 1998/1999

Reaktionen auf das Großbild von Kara Walker

Henriette Horny, Kurier 10.11.1998

Wenn in Wien Oper diskutiert wird, dann geht man ins Detail. Sogar der eiserne Vorhang ist hier Thema. Von Rudolf Eisenmenger 1955 gestaltet, ist er vielen sowohl aus politischen als auch ästhetischen Gründen seit langem ein Dorn im Auge. Die einen wollten ihn weg haben, die anderen bewahren, weil er zur österreichischen Geschichte gehört, wie sie argumentieren. Mit der jetzt getroffenen Lösung werden beide Parteien befriedigt. Man sieht den „Eisernen“ zwar nicht mehr, aber er ist auch nicht weg. Die altbewährte Lösung des Camouflierens oder Zudeckens ist wieder zum Einsatz gebracht worden. Der alte „Eiserne“ wurde einfach mit einem neuen Bild überzogen. Eine flexible Lösung, die jederzeit ohne Spuren rückgängig zu machen ist – in guter österreichischer Tradition.“

 

Georg Geyer, Steuerberater und Operngänger

Auch der Vorhang des Klagenfurter Stadttheaters soll nun ja zeitgenössisch von einem Künstler gestaltet werden. Das dort vorgesehene Gemälde von Mimmo Paladino gefällt mir allerdings weit besser als der Wiener Scherenschnitt von Kara Walker. Ich finde es schade, dass ihr Werk solch ein merkwürdiger Verschnitt aus den 30er Jahren und heute geworden ist. Ein klares Statement für die moderne Kunst des kommenden 21. Jahrhunderts wäre mir lieber.


Ulrich Weinzierl, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.11.1998

Geschmeidig passt sich der Entwurf der Eleganz des Ambientes an. Als direkte Zitate tauchen Eisenmengers Goldgrundmuster und die verkleinerte Eurydike auf. Die in Schattenrissmanier gearbeiteten Figuren erzählen Geschichte mit doppeltem Boden. Ihr Märchenhaftes zeigt die Abgründe europäischer Kultur im Umgang mit dem Fremden: ein vergiftetes Groteskidyll zwischen alpiner Lieblichkeit und Tropenwald. Vom Baum herunter reicht der Mohrenknabe Eurydike eine auch sexuell zu deutende Kaffeebohne, im Saxophonspieler mit den Wulstlippen kehrt das Nazi-Plakat zur berüchtigten Ausstellung „Entartete Musik“ von 1938 wieder. An Assoziationen herrscht also keinerlei Mangel.


Lioba Reddeker, Bundeskuratorin für Kunst

Was gibt's Neues in der Oper? Oder ist diese Frage ketzerisch? Besteht doch der Operngenuss – sogar beim Besuch einer neuen Inszenierung – vor allem im Erkennen von Interpretationsvarianten. So gesehen ist der Opernbesuch meist mit der Vergegenwärtigung von Vergangenem verbunden und offenbart gerade darin Kennerschaft. Im Begriff der Gegenwartskunst ist dagegen explizit Zeitgenossenschaft enthalten. Im Vergleich mit den reproduzierenden/darstellenden Künsten formuliert sich bei ihr ein Anspruch, der das Neue als Ereignis der Gegenwart, als radikales Angebot mit maßgeblich singulärem Charakter an die Zeitgenossen verstanden wissen will. Genau dies tut seit einer Spielzeit der Eiserne Vorhang in der Staatsoper. In diesem Kontext ist es mir wichtig, auf das große private Engagement von „artpool“ hinzuweisen, mit dem diese viermalige „Beinah-Neu“-Gestaltung überhaupt verwirklicht werden kann. Solche Initiativen sind im Rahmen der bildenden Kunst unverzichtbar und sicherlich noch viel zu selten.


Johannes Lutz, Angestellter

Diese märchenhafte Szenerie find ich ganz schön. Und Kara Walker betreibt ihr kritisches Geschäft schon recht gewitzt. Diese Art von Stellvertreterkrieg in einem Hauptquartier der österreichischen Seele um die kulturelle Hegemonie – junge internationale Kunst und Political Correctness gegen österreichische Tradition und Wiederaufbaumythos – mir geht sowas auf die Nerven! Alles sehr österreichisch.


Eine in der Oper hinterlassene Nachricht

An den Staatsopern-Direktor! Wie man sieht, ist die Staatsoper zum afrikanischen Dschungel-Theater herabgesunken. Warum musste eine amerikanische Künstlerin, warum eine intern. Jury bemüht werden? So ein Kasperltheater hätte Österreich auch zustande gebracht. Verachtungsvoll, (Unterschrift unleserlich)


Ursula Hübner, Malerin und Bühnenbildnerin

Kara Walker ist zu beneiden. Es gibt nicht viele Künstler, die so eine große Fläche für ein Bild zur Verfügung haben, es sei denn, sie arbeiten für die Werbung. Ihr Bild wird mit Sicherheit angesehen – in Ruhe, im Sitzen und von Menschen, die hungrig auf die Hauptspeise, die Oper sind. Ihr Bild ist dazu das amuse gueule, ein Geschenk des Hauses, und sollte wie dieses auch immer ein Vorbote der Qualität sein, die man zu erwarten hat. Walkers Arbeit ist sehr poetisch und klar. Sie klingt nicht nach großer Oper, eher wie Kammermusik und das gefällt mir.

 

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