Vital Use

„Vital Use“ – Ausstellungskonzeption

„Vital Use“ bietet die Möglichkeit, Ghettos zu durchbrechen und Kunst in andere Kontexte zu tragen. Kunst fließt ins Leben, das Leben in die Kunst. Grenzen werden porös. Das Eigentliche ereignet sich im Zwischenraum: „Daß die Künstlerin oder der Künstler die Verantwortung auf sich nimmt, jede andere Form menschlicher Aktivität in Kommunikation zueinander zu versetzen“ (Michelangelo Pistoletto). Ein Schwergewicht liegt in der Intention aller beteiligten Künstlerinnen und Künstler verschiedene Terrains zu involvieren sowie die eigene Aktivität auf verschiedene Terrains auszudehnen. Müssen Werke noch geschützt werden? Indem sie zu den elementaren, vitalen Problemen und Bedürfnissen in der Kunst Position ergreifen, stellen die Künstlerinnen und Künstler in Vital Use die Frage nach dem Gebrauchswert der Kunst: „Function melts form.“ (Stewart Brand).

Ausgangspunkt von „Vital Use“ ist die Tatsache, daß immer mehr KünstlerInnen aus Unzufriedenheit mit den bestehenden Produktions- und Distributionsstrukturen eigene, vitale Strukturen schaffen. KünstlerInnen und UnternehmerInnen, wie Andrea Zittel oder Fabrice Hyber schaffen reale Lebenszusammenhänge und Situationen und stehen damit im Gegensatz zu den fiktiven Unternehmen der achtziger Jahre, denen es vor allem um die Fiktion des Logos ging.

„Denn wie der Verbrauch der Endzweck aller Produktivität ist, so ist das Leben wiederum der Endzweck des Verbrauchs.“
„Nur Leben ist Reichtum.“ (John Ruskin)

Vital Use bringt die künstlerische Produktion ins Leben zurück. John Ruskin hat in seinen Schriften zur Nationalökonomie das Schwergewicht vom Produzenten auf den Konsumenten/Rezipienten verlagert.

Im Zentrum jeder Ware bzw. jedes hergestellten Produktes steht die Frage des Dialogs. Die Ausdehnung des Lebens wird zum Ziel einer Produktion, deren bewußter Umgang mit Ressourcen vielfache Verbindungen zur Lebensfunktion aufrechtzuerhalten bestrebt ist. Ruskin zeigt, daß sinnvolles ökonomisches Handeln immer einen Personenbezug herstellt. Asger Jorn zeigte, daß das Kunstwerk nichts anderes ist als eine Bestätigung des Menschen aus der essentiellen Quelle des Menschen. „Produktion, Produkt und Konsum formen in Ruskins vitaler Ökonomie ein Dreieck abhängiger Elemente. Der Mensch bildet den Mittelpunkt dieser Struktur, die Nutzen und Wert mit lebenspendender Kraft erfüllen.“ (J.C. Sheburne) 

Angesichts der Krise tradierter Vermittlungsformen definiert sich die Position von Künstlerinnen und Künstlern um. Ein aktiveres Eingreifen in Fragen von Produktion und Distribution sind die Folge. Vital Use eröffnet Künstlerinnen und Künstlern, die an eigenen Produktions- und Distributionsstrukturen arbeiten, die Möglichkeit, diese während eines Jahres in Form einer Zeitungsausstellung in der Tageszeitung Der Standard vorzustellen.

Den Werken ist ein Doppelcode gemeinsam: Die Zeichenfunktion und die Gebrauchsfunktion verschränken sich, wobei die Homogenität des Kunstwerks einer Heterogenität des Gebrauchs weicht. Dispersion ist in diesem Zusammenhang ein strukturelles Merkmal: Den Künstlern geht es nicht mehr um abgeschlossene Objekte, sondern vielmehr darum, zu ergründen, was zwischen den Menschen und zwischen den Dingen geschieht; es geht um ein direktes Involvement der Leserinnen und Leser darum, daß potentiell jede oder jeder teilnehmen kann.

(September 1995)


Hans-Ulrich Obrist möchte sich bei allen KünstlerInnen, bei Josef Ortner, Kathrin Messner und Stella Rollig für die gute Zusammenarbeit bedanken. Mein Dank geht auch an: Marius Babias, Lisa Corrin, Delta X, Anthony Fawcett, Judith Fischer, Dr. Robert Fleck, Dr. Lucius Griesebach, Rebecca King-Lassmann, Prof. Kasper König, Galerie Krome und Schipper, Dr.Christa Maar, Andre Magnin, Lisson Gallery, Julia Peyton-Jones, Maria Pioppi, Michael Philips, Prof. Ernst Pöppel, Andrea Rosen Gallery, Andrea Schlieker, Michael Sedivy, Jean Starobinski, Guy Tortosa.

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