Austria im Rosennetz 06

Eis- und Glutnatur der Milchstraße. Über Hanns Hörbigers Scheitern und Reüssieren

Als Junge liegt Hanns Hörbiger gerne auf den Kärntner Böden und schaut in den Himmel. Er beobachtet die Wolken, die Sonne, den Mond und die Sterne, ist von diesen allumgebenden Wundern so fasziniert, daß er im Freien die Nacht verbringt, eingebettet in einen Daunenschlafsack, den Kopf auf wasserfesten Pölstern mit sturem Blick aufwärts, leuchtenden Sternschnuppen nächtens und schimmernden Tautropfen am Morgen, die ihm in Folge die Erleuchtung zu seiner gesamten Welteistheorie bringen sollen.

Deren große Anhängerschar und noch größere Gegnerschaft, Gläubige wie Skeptiker, Weiterentwickler wie Verdammer ihm in bestimmten Kreisen zu gewissem Ruhm verhelfen, indem sie einen Mondkrater, den Hörbiger-Krater nach ihm benennen.

Tatsächlich ist Hanns Hörbiger von der Wissenschaftsseite her zu den Verspotteten und Verdammten zu zählen – wie der verfluchte Datasoph Charles „Hoy“ Fort, der andere Dataist, der sein ganzes Leben lang nichts anderes getan hat, als sich unerschütterlich mit den Daten der Ausnahmen zu beschäftigen, in seinen datasophischen Schriften mit präzisen Ausnahmeergebnissen ständig die Wissenschaft widerlegt und dabei in die tiefe Dunkelheit vorgestoßen ist, in die Randbereiche wissenschaftlicher und philosophischer Vorgänge und Vorgehensweisen, wo ich hoch respektable, aber mit dem Staub der Mißachtung bedeckte Dinge fand. Zurückgekehrt bin ich mit den Quasi-Seelen verlorener Daten.

Auch Hörbiger sammelt die Daten der Ausnahmen, zeichnet sie auf, wertet sie aus und gelangt so zu seinem Weltbild – zur Welteislehre, zur Glacial-Kosmogonie, erkennt, daß der Mond von einem etwa 200 km tiefen, uferlosen Eisozean bedeckt ist, die Krater letztendlich nichts anderes als Eis-Ringgebilde und widmet sich immer mehr den Erforschungen des Alls – die Natur des Mars, die Streifung des Jupiter, Bahnschrumpfung und Mondeinfang, der Saturnring und die Eisnatur der Sternschnuppen im Gegensatz zu der metallisch-schlackrigen Natur der Meteore.

Bei einem Aufenthalt in Siebenbürgen, Hörbiger stellt dort ein großes Hochofengebläse auf, stößt er auf die Lösung der letzten Rätsel, die ihm nach eigenen Angaben am Himmel noch geblieben sind: Die Eisnatur der inneren, die Glutnatur der äußeren Milchstraße, die Rolle des Eises als Explosivstoff im Weltgeschehen, die Erklärung aller Fixsternbewegungen als Trägheitserscheinung und nicht als Massenanziehung, wie es bisherige Lehren behaupten. Er verfaßt im Sommer 1896 sein erstes Manuskript „Die gebirgsbildenden Kräfte des Mondes und die Vorgänge auf dem Planeten Mars im Licht technischer Erfahrung“, schickt es dem Direktor der Wiener Sternwarte, der es ihm mit leicht-herablassenden Begleitworten retourniert.

Hingegen ermuntert ihn ein Maschinenbauingenieur und Professor an der Wiener Technik zum Ausbau seiner Lehre, bezeichnet sie in einer Festrede als gelungenen Versuch, den Himmelserscheinungen auch vom Standpunkt des Technikers gerecht zu werden und sorgt, durch den Abdruck dieser Rede, für eine geringe Publizität – der erste Schritt der Welteislehre in die Öffentlichkeit.

Doch wegen seiner beruflichen Arbeitsüberlastung muß Hörbiger seine diesbezüglichen Forschungen zurückstecken, so daß erst 1912 sein Hauptwerk Hörbigers Glacial-Kosmogonie von Philipp Fauth, einem längst überzeugten Anhänger, herausgegeben werden kann. Allerdings ignoriert die Fachwelt das imposante Werk, bis sich zu Beginn der Zwanziger Jahre ein großer Verlag (Voigtlander) dafür interessiert und nacheinander Abhandlungen druckt, die sich mit Hörbigers Lehre beschäftigen, diese erklären und verbreiten, so daß alsbald Gesellschaften, Vereine und sonstige Vereinigungen, die der Glacial-Kosmogonie anhängen, gegründet werden.

Berühmt wird Hörbiger aber anderweilig. Nicht als Person sondern als Ventil gewissermaßen, sein Hörbiger-Ventil, ein von ihm entwickeltes massearmes, reibungsfrei geführtes Stahlplattenventil, das er 1935 zum Patent anmeldet. Dieses Ventil entwickelt er neben zahlreichen anderen Projekten und Patenten zu immer größerer Vollkommenheit, gründet mit seinen Söhnen Alfred und Hans Robert (zwei weitere männliche Nachkommen mit Vornamen Attila und Paul erlangen durch Film, Funk und Theater internationalen Ruhm), eine Firma, die bald in Simmering unter der Leitung von Alfred eigene Produktionen herstellt, nach Alfreds Tod von dessen Frau weitergeführt wird und zu einem Weltunternehmen vorschreitet, das in die ganze Welt Hörbiger-Ventile schickt, die in Maschinen aller Art, in Pumpen und Kompressoren tätig sind.

Hans Robert beschäftigt sich jedoch bald ausschließlich mit der Fortführung der Glacial-Kosmogonie und veröffentlicht 1951 gemeinsam mit Michael Soeser Welteis, den Roman um ein Weltbild.


Zum hundertsten Jahrestag der Welteislehre veröffentlichte die Hörbiger Stiftung, Basel, 1995 eine Festschrift. Hörbigers Glacial-Kosmogonie, hg. v. Ph. Fauth, Kaiserslautern 1913.

Klaus Ferentschik, Dr. Phil., in Graben/Baden geboren, lebt und schreibt derzeit in Wien.

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