Kunst, Gesellschaft und Medien

Gespräche. Symposion über Kunst, Gesellschaft und Medien

Der Zusammenbruch des spekulativen Marktes für zeitgenössische Kunst in den Jahren 1990 und 1991 brachte die Wiederkehr lange ausgegrenzter Fragestellungen, die zwei Kategorien angehören: zum Einen ist die Figur des Künstlers als solche wieder ein Störfaktor geworden, gegen den sich der durchschnittliche Medienkonsument heute wieder spontan zum Zorn berechtigt empfindet, ganz ähnlich wie in den unseligen dreißiger und vierziger Jahren dieses Jahrhunderts; und zum Anderen ist mir das gegenwärtige Klima, in dem sich die zeitgenössische Moderne täglich aufs Neue gegenüber dem Steuerzahler, Politikern und sensationsträchtigen Medien rechtfertigen muß, auch wieder trächtig für eine tatsächliche kreative Situation: Immer wenn die Daseinsberechtigung der modernen Kunst in Frage gestellt wurde, wie in den zehner, dreißiger und späten Sechziger Jahren, erlebte sie einen ihrer größten Schübe.

Dieses Symposion will die Spannweite ausloten, in der sich die Veränderungen der Mediengesellschaft, der sozialen Realitäten und der bildenden Kunst in der Mitte der neunziger Jahre befinden. Führende Künstler, Kunstkritiker, Medientheoretiker und Philosophen der Gegenwart können heute durch die neue Schnelligkeit des Mediums Tageszeitung miteinander in einer ähnlichen Art konversieren, wie es der griechische Gedanke des „Symposions“ vorsah in einem freien Gespräch unabhängige Individuen außerhalb der Alltagszwänge. Die Umstellung der Zeitungen und Nachrichtenmagazine auf Computersysteme hat das „alte“, „langsame“ Printmedium ebenso zu einem realzeitlichen Medium mit der Möglichkeit ständiger und weltumspannender Zuspielungen gemacht wie das Fernsehen doch mit dem Vorteil einer flexibleren und damit „moderneren“ Handhabung als im Bereich der elektronischen Medien.

museum in progress – Gespräche versucht diesen Innovationsschub der Printmedien für einen wirklichen Gedankenaustausch unter den wichtigen Kunst- und Mediendenkern dieser Zeit auszutesten, wobei die Legitimationskrise der Kunst wie jene der Medien einander überschneidende Gesprächspunkte bilden.

(Paris 1994)

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