Cities on the Move II

„Cities on the Move“ von Rudi Molacek

Es ist der Imperativ unserer Zeit: Move! Menschen, Güter, Nachrichten befinden sich in zunehmend beschleunigter Bewegung. Wenn Rudi Molacek für das nunmehr siebente Plakatsujet des museum in progress für Austrian Airlines in Kooperation mit Gewista den Sog der Bewegung, das Tempo darstellt, dann wählt er zweifellos ein zentrales Bild der Gegenwart, und gleichzeitig ein Image – im Doppelsinn des Wortes – das Wesen und Bestimmung einer Fluglinie ausmacht. Mehr noch freilich als die Reisegeschwindigkeit wird das Aufpralltempo unserer Wahrnehmung auf die visuelle Oberfläche des Fremden thematisiert. Der Schauplatz ist Shanghai, die Szene alltäglich: ein Pulk von motorisierten Verkehrsteilnehmern auf Zweirädern, auf Mopeds und Fahrrädern unterwegs unter den Betonstützen einer Stadtautobahn. Im Verkehrsstrom entsteht ein schnelles Foto, das mit konventioneller Reisereportage wenig zu tun hat. Man ahnt mehr, als an Information zur Verfügung gestellt wird. Wer fährt wohin und warum? Anzunehmen, dass es sich um Arbeitswege handelt, deren Erledigung die verschiedenen Räderwerke der Megastadt am Laufen hält. Von dem Reisenden und seiner Kamera nimmt niemand Notiz. Doch lassen wir uns von seiner suggerierten Abwesenheit nicht täuschen. Wer seine verschlüsselte Spur im Bild zu lesen vermag, erfährt so manches über den Fotografen: über sein Verhältnis zur Situation, zu den geknipsten Menschen, zur Stadt, zur fremden Kultur. Auch er ist Teil der Menge und setzt sich dennoch deutlich von ihr ab. Sein Blickpunkt ist tiefer – Das Privileg des Wohlhabenden und/oder Ausländers weist ihm den Rücksitz eines Autos zu. Seine Blickachse ist tangential zur einheitlichen Blickrichtung der anderen Fahrenden gerichtet. Luxus des Reisenden: Chauffiertwerden – frei sein, den Blick schweifen zu lassen. Dieser Blick delektiert sich nicht an Exotismen, sondern erfasst im Unspektakulären geistesgegenwärtig die signifikante Konstellation: einen Moment, in dem der Verkehrsstrom aus Menschen und Maschinen sich mit der Stadtarchitektur kreuzt, um das Bild einer Kathedrale des 21. Jahrhunderts zu erzeugen. Ein Foto im Widerspruch zum Reisefeuilleton: Weder wird Asien auf seine pittoreske Tradition festgeschrieben, noch als blinkendes Technowunderland geschildert. Beim Fotografieren gilt dasselbe wie beim Schauen: Nicht das Außergewöhnliche des Erblickten ist entscheidend und nicht die Schnelligkeit der Reaktion, sondern allein die Substanz des Gedankens, den das Wahrgenommene generiert. Ein Foto vom Rücksitz eines Autos in Shanghai – auf 3000 Plakatwänden in Wien. Zwei unterschiedliche Dynamiken prallen aufeinander, kulturelle Unterschiede der alltäglichen Stadtbenützung werden sichtbar. Ein sprödes, differentes Sujet, das seine Unangepaßtheit ausspielt: im Direktvergleich mit penibel inszenierter Produktpräsentation ebenso wie mit den zu Jahresende florierenden Fernreisekampagnen. Doch damit nicht genug: Für das Medium Plakat wird das Foto digital bearbeitet, gespiegelt, gestretcht, geteilt und in unterschiedlichen Serien neu zusammengesetzt. Ein Foto wird beschleunigt und flitzt durch die behäbige Stadt.

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