Sprachfelder 04

Internationale WissenschaftlerInnen: Offener Brief an Bundespräsident Dr. Thomas Klestil

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, wieder sind die Nachrichten aus Österreich sehr entmutigend. Mit Bestürzung und Zorn haben wir verfolgt, wie Jörg Haider sich über Stanley Greenbergs Herkunft von der „Ostküste“ äußerte, mit jenem altbekannten, abschätzigen Codewort für „Jude“ im Jargon der österreichischen und deutschen Rechten. In gleicher Weise sind wir von Haiders Angriffen gegen Ariel Muzicant, den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) in Wien, beunruhigt. In besonderer Weise geschmacklos war Haiders Verspottung des Vornamens Muzicants mit seiner Anspielung auf ein Waschmittel namens „Ariel“.

Haiders manipulativer Umgang mit rassistischen Emotionen zu politischen Zwecken macht offensichtlich, dass sein Anspruch, Demokrat oder Anhänger demokratischer Grundsätze zu sein, illegitim ist. Er versteckt sich hinter dem demokratischen Prinzip der Redefreiheit, sogar dann noch, wenn er Fairness und Gleichberechtigung, diese Eckpfeiler der Demokratie, verunglimpft, indem er antisemitische Rhetorik beschwört, um seine politischen Agenden zu fördern. Es ist unglaublich, dass Haider erneut auf so offensive und hasserfüllte Beschimpfungen von Juden zurückgreift. Seine verletzenden Worte sind ein Angriff, nicht nur auf die Genannten und ihre Glaubensgenossen, sondern auch auf alle Österreicher, die sich der österreichischen Demokratie und ihrer Kultur des Pluralismus und der Toleranz verschrieben haben. Noch beunruhigender aber ist die Tatsache, dass die österreichische Regierung und die politische Klasse des Landes erst sehr spät auf Haiders hetzerische Äußerungen reagierten, also Herrn Muzicant und die jüdische Gemeinde in Österreich in dieser Lage, in der sie Solidarität und Mitgefühl brauchten, ganz sich selbst überließen.

Wir möchten hiermit unserem Protest Ausdruck verleihen, dass eine Sprache wie diejenige Haiders immer noch – oder vielleicht wieder – in der österreichischen Politik salonfähig ist. Wir drücken unsere Enttäuschung über die Unterwürfigkeit aus, mit welcher die in Österreich Regierenden auf Haiders verachtenswerte Äußerungen entgegnet haben. Der jüdischen Gemeinde in Österreich und Herrn Muzicant versichern wir, in dieser Stunde der Not, unsere Solidarität.

Hochachtungsvoll


Prof. David Abraham, University of Miami
Lara M. Andersson, PhD, Lund University
Prof. Marc Angenot, McGill University
Prof. Gerd Antos, Martin Luther Universität, Halle-Wittenberg
Prof. Shlomo Avineri, The Hebrew University, Jerusalem
Henrik Bachner, PhD, Lund University
Steven Beller, PhD, Independent Scholar, Washington, DC
Prof. Michael Billig, University of Loughborough
Prof. Günther Bischof, University of New Orleans
Prof. Chris Candlin, President of AILA, City University Hongkong
Prof. Paul Chilton, University of East Anglia
Prof. Aaron Cicourel, University of California, San Diego
Prof. Bessie Dendrinos, National and Kapodistrian, University of Athens
Prof. Teun van Dijk, University of Amsterdam and Universitat Pomeu Fabra
Prof. Paul DiMaggio, Princeton University
Prof. Carl Djerassi, Stanford University
Robert L. Dupont, PhD, Dean, University of New Orleans
Prof. Geoff Eley, University of Michigan, Ann Arbor
Philomena Essed, PhD, Senior Researcher, University of Amsterdam
Prof. Manfred Faßler, Johann Wolfgang Goethe Universität, Frankfurt
Prof. Anna De Fina, Georgetown University
Prof. David T. Goldberg, University of California, Irvine
Hector Grad, PhD, Universidad Autonoma de Madrid
Prof. Britt-Louise Gunnarsson Stockholms Universiteit
Wilhelm Guschlbauer, PhD, Independent Scholar, Paris
Prof. Peter A. Hall, Harvard University
Prof. Julia Hell, University of Michigan, Ann Arbor
Prof. Luisa Hirschbein, Université Paris-Sud
Prof. Marc Howard, University of California, Santa Cruz
Prof. Michael G. Huelshoff, University of New Orleans
Prof. Margarete Jäger, Universität Duisburg
Prof. Siegfried Jäger, Universität Duisburg
Prof. Tony Judt, New York University
Prof. David Karen, Bryn Mawr College
Prof. Claire Kramsch, University of California, Berkeley
Prof. Per Linell, Linköping University
Prof. Erich Loewy, University of California, Davis
Prof. Andrei S. Markovits, University of Michigan, Ann Arbor
Prof. Ulrike Meinhof, University of Southampton
Prof. Gabriella Modan, Ohio State University
Silvia Molina, PhD, Facultad de Letras, Ciudad Real
Prof. Johannes von Moltke, University of Michigan, Ann Arbor
Gerald Nagler, Präsident, Schwedisches Helsinki Kommittee für Menschenrechte
Monika Nagler Wittgenstein, Präsidentin, Schwedischer Pen Club
Prof. Stig A. Nohrstedt, Örebro University
Prof. Beth S. Noveck, Yale University Law School
Prof. Yumiko Ohara, The National Language Research Institute
Prof. Robert Phillipson, Copenhagen Business School
Prof. Antonio Sousa Ribeiro, University Coimbra
Prof. Kay Richardson, University of Liverpool
Prof. Aviel Roshwald, Georgetown University
Prof. Marsha L. Rozenblit, University of Maryland
Prof. Arne Ruth, Linköping University
Prof. Scott Saft, Tsukuba University
Prof. Bambi Schieffelin, New York University
Prof. Hanna Schissler, Georg Eckert Institute for International Textbook Research, Braunschweig
Prof. Carl E. Schorske, Princeton University
Prof. Franz Schultheis, Université de Neuchâtel
Tove Skutnabb-Kangas, PhD, Roskilde University
Prof. Bernard Spolsky, Bar-Ilan University, Haifa
Prof. Jonathan Steinberg, University of Pennsylvania
Prof. Michael Steinberg, Cornell University
Prof. George Steinmetz, University of Michigan, Ann Arbor
Prof. Frank Stern, Ben Gurion University, BeÆer Sheba
Prof. Vladimir Tismaneanu, University of Maryland
Prof. Liliane Weissberg, University of Pennsylvania
Prof. Steven M. Whiting, University of Michigan, Ann Arbor

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