TransAct 2 – Sprachfelder

TransAct 2 – Sprachfelder

„Welche Zivilisation hat denn, allem Anschein nach, mehr als die unsrige Respekt vor dem Diskurs gehabt? Wo hat man ihn besser geehrt und hochgehalten? Wo hat man ihn denn radikaler von seinen Einschränkungen befreit und ihn verallgemeinert? Nun, mir scheint, daß sich unter dieser offensichtlichen Verehrung des Diskurses, unter dieser offenkundigen Logophilie, eine Angst verbirgt. Es hat den Anschein, daß die Verbote, Schranken, Schwellen und Grenzen die Aufgabe haben, das große Wuchern des Diskurses zumindest teilweise zu bändigen, seinen Reichtum seiner größten Gefahren zu entkleiden und seine Unordnung so zu organisieren, daß das Unkontrollierbarste vermieden wird; es sieht so aus, als hätte man auch noch die Spuren seines Einbruches in das Denken und in die Sprache verwischen wollen. Es herrscht zweifellos in unserer Gesellschaft – und wahrscheinlich auch in allen anderen, wenn auch dort anders skandiert und profiliert eine tiefe Logophobie, eine stumme Angst vor jenen Ereignissen, vor jener Masse von gesagten Dingen, vor dem Auftauchen all jener Aussagen, vor allem was es da Gewalttätiges, Plötzliches, Kämpferisches, Ordnungsloses und Gefährliches gibt. Vor jenem großen, unaufhörlichen und ordnungslosen Rauschen des Diskurses.“ (Michel Foucault, Die Ordnung des Diskurses, 1970)

Die Sprache ist als Gegenstand des Denkens und der Theoriebildung wohl das zentrale Thema des 20. Jahrhunderts. Omnipräsent in den Philosophien bis zur Gegenwart und Fokus humanwissenschaftliches Theorien nahezu aller Fachbereiche hat die Entwicklung der Spezialwissenschaft – in einer Reihe von Facetten (Sprachtheorie, Linguistik, Semiologie etc.) – eigene und besondere Philosophien und Theoriebereiche ausgebildet. Das Exemplarische, das diesen Theoriekomplex von aller anderen Erkenntnisbildung unterscheidet, ist das Faktum, das Sprache nicht nur Gegenstand der Untersuchung und Gegenstand der Reflexion ist, sondern dass das Medium dieses Wissens wiederum Sprache ist – Reflexion ist Sprache.

Jenseits eines philosophischen Universalanspruchs – der die Sprache als das „Haus des Seins“ oder als jenen Ort, der den „Aufenthalt für das Wesen des Menschen“ bildet, zu deuten weiß (Martin Heidegger), bleibt Sprache als ein immerwährendes Medium des Sozialen und als „unaufhörlicher“ – immer wieder neu sich formierender Diskurs präsent. Sprache ist Allgegenwart, auch des Realen. Spiegelung des historischen Augenblicks, Folie auf der sich dieser manifestiert und zugleich Medium, in dem sich Zeitlichkeit wie Realität überwinden lassen. Sprache ist Austausch – Kommunikation, als Medium des Sozialen repräsentiert Sprache aber auch gesellschaftliche Kräfteverhältnisse und damit Machtbeziehungen, Sprache ist also auch Medium der Macht. Sprache figuriert als Bedingung der Möglichkeit von Gesellschaft, als elementares Konstitutiv von Beziehungen und Feldern, in der realen Praxis ist Sprache Medium und Teil der Machtbeziehungen und damit Teil eines „politischen Feldes“ (Michel Foucault, 1978).

Einen Ansatz für die Darstellung und Interpretation realer Sprachpraktiken der Gegenwartsgesellschaft gibt das theoretische Konzept der „Sprachkritik“ – wie es Fritz Mauthner zur Jahrhundertwende formuliert hat: Sprache wird als „Handeln“, als Tätigkeit definiert, die allein „zwischen Menschen“ existiert. Diese Konzeption zählt zur Tradition der „Sprachskepsis“, die wesentlich die Geistesgeschichte der Moderne (die Philosophie Ludwig Wittgensteins, die Literatur von James Joyce und Samuel Beckett usw.) geprägt hat. In ihrem handlungsorientierten Ansatz bestimmt sie eine bis in die Gegenwart reichende Analytik der Sprache.

Gegenstand der Darstellung und Untersuchung ist die Alltagssprache – ihr Gebrauch, ihr „Handeln“ im öffentlichen Diskurs. Aus den alltagssprachlichen Diskursen werden so z. B. Begriffe als Schlüsselwörter verwendet und in andere Sprach- bzw. Deutungsfelder transportiert und dort (und aus diesem Feld) interpretiert. Diese Deterritorialisierung soll für Termini, Sätze und Texte der Alltagssprache Möglichkeiten der Deutung vorstellen, soll den Alltagsdiskurs in diese verwandten und fremden Felder versetzen und so ein breites und differenziertes „neues“ semantisches Feld eröffnen. Zu diesen neuen Deutungsfeldern gehören auch künstlerische Konnotationen, die in visuellen Dimensionen – Zeichensprache, Bildsprache – das semantische Feld erweitern.

(Wien, 2001)

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