TransAct 22

TransAct Statement

In dem kürzlich veröffentlichten Artikel „Blair und ich gegen die Kräfte des Konservativismus“ (Daily Telegraph, London, 22.2.2000) betonte Jörg Haider die Affinität von New Labour und seinen österreichischen Freien Demokraten, die die alten Rechts/Links-Oppositionen bedeutungslos mache: beide vollziehen den Bruch mit dem alten ideologischen Ballast, beide verbinden flexible Marktwirtschaft (Deregulierung etc.) mit einer Politik der Solidargemeinschaft (Unterstützung der Kinder und Alten und der sozial Benachteiligten), d. h. beide versuchen, diese Solidargemeinschaft außerhalb des alten Dogmas vom Wohfahrtsstaat durchzusetzen. (Haider behauptet sogar, dass die Einwanderungspolitik seiner Partei offener ist als die von New Labour, was wahrscheinlich der Wahrheit entspricht!) Solche Aussagen sollen natürlich bewußt und absichtlich in die Irre führen, um den fremdenfeindlichen, populistischen Kern der Haiderschen Politik verborgen zu halten. Sie gehören in dieselbe Reihe wie die Versuche der früheren Anhänger der Apartheid in Südafrika, ihre Politik als Version einer „Politik der Identitäten“ als Überlebensgarantie für den Reichtum der verschiedenen Kulturen auszugeben.

Ernesto Laclau hat als erster auf den Unterschied zwischen den einzelnen Elementen eines ideologischen Konstrukts und der Art und Weise ihrer Verbindung, die ihnen erst ihre Bedeutung verleiht, hingewiesen. Der Faschismus ist nicht einfach durch eine Reihe von Merkmalen charakterisiert (Wirtschaftskorporatismus, Populismus, fremdenfeindlicher Rassismus, Militarismus etc.), d.h. diese Merkmale sind nicht für sich bereits „faschistisch“, sondern können in unterschiedliche ideologische Verbindungen Eingang finden – was sie „faschistisch“ werden läßt, ist die spezifische ideologische Einfügung in das umfassende ideologische Projekt des Faschismus (so spielten z. B. die staatlichen Großaufträge in Nazideutschland nicht dieselbe Rolle wie während des New Deal in den Vereinigten Staaten). Es wäre nicht schwer, nach dieser Methode zu zeigen, wo Haider manipuliert: Auch wenn Haider und Blair TATSÄCHLICH eine Reihe identischer Maßnahmen unterbreiten, so sind diese Maßnahmen doch Teil voneinander zu unterscheidender, sie umfassender Entwürfe.

Aber das ist noch nicht die ganze Geschichte: Haider IST tatsächlich so etwas wie Blairs unheimlicher Doppelgänger, sein höhnisches Grinsen folgt dem großen New Labour-Lächeln wie ein Schatten. Um es auf die guten alten stalinistischen Begriffe zu bringen, obwohl Haider lügt, wenn er sich mit Blair auf die gleiche Stufe stellt, sind seine Aussagen doch „objektiv wahr“: der Populismus der Neuen Rechten ist die „Wiederkehr des Verdrängten“, die notwendige Ergänzung der globalen, kapitalistischen, multikulturellen Toleranz. Die „Wahrheit“ des Haiderschen Anspruchs liegt nicht in einer unvermittelten Identität der Populismen von New Labour und der Neuen Rechten, sondern in der Tatsache, daß dieser Populismus von den tiefen Widersprüchen, die im Entwurf des Dritten Weges angelegt sind, hervorgebracht wird. In Haiders Clinch mit Blair (dieser Begriff hier im Sinne der Boxersprache gebraucht) bekommt die Linke des Dritten Weges ihre eigene Botschaft in umgestülpter – ihrer wahren – Form zurück.

Vor einigen Jahren holte Le Pen während eines Kongresses des Front National einen Algerier, einen Afrikaner und einen Juden nach vorn auf die Bühne, umarmte sie alle und erzählte dem versammelten Publikum: „Sie sind um nichts weniger Franzosen als ich – die wahre Gefahr für unsere Identität sind die Vertreter des großen, multinationalen Kapitals. Sie sind es, die ihre Pflicht Frankreich gegenüber mißachten!“
Bei aller Heuchelei signalisieren solche Aussagen, wie die populistische Rechte vorgeht, um das von der Linken aufgelassenen Terrain zu besetzen.

Das ist ein außerordentlich kritischer Punkt: die Populisten der Neuen Rechten sind gegenwärtig die einzige „ernstzunehmende“ politische Kraft, die das Volk in anti-kapitalistischer Rhetorik anspricht.

Die Beteiligung des rechten Flügels an der Regierung ist nicht die Strafe für linkes „Sektierertum“ und „Nichtbewältigung neuer post-moderner Verhältnisse“, sondern ist der Preis, den die Linke dafür zahlt, daß sie auf jeglichen radikalen politischen Entwurf verzichtet und den Kapitalismus des Marktes als „das einzige Spiel in der Stadt“ akzeptiert hat.

Slavoj Žižek
Philosoph, Psychoanalytiker
Universität Ljubljana
Kulturwissenschaftliches Institut, Essen


Ljubljana, 15. April, 2K

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