Gastarbajteri

Initiative Minderheiten: Gastarbajteri – 40 Jahre Arbeitsmigration

Eine Ausstellung der Initiative Minderheiten und des Wien Museums Karlsplatz.

Vor vier Jahrzehnten erzeugte die wirtschaftliche Hochkonjunktur in Westeuropa einen Bedarf an Arbeitskräften, der durch Gastarbeiter aus wirtschaftsschwachen Ländern wie Jugoslawien und der Türkei gedeckt werden sollte. So begann die Geschichte einer besonderen Form der Migration im Nachkriegseuropa, die von der ursprünglichen Vorstellung, ArbeiterInnen je nach Bedarf stets durch neue zu ersetzen, zunehmend abwich. Heute, nach 40 Jahren, beschäftigt diese Migration nicht nur die Wirtschaft. Politik, Medien, sozialwissenschaftliche Forschung und Kunst haben in ihr ein Thema gefunden, das täglich an Aktualität gewinnt. Weitgehend unsichtbar geblieben sind jedoch die Perspektiven der MigrantInnen selbst. In den dominanten öffentlichen Diskursen und medialen Bildern fungieren sie nach wie vor hauptsächlich als Objekte der Repräsentation, während sie als Subjekte meist marginalisiert bleiben.

Mittlerweile hat diese Migration drei Generationen von Menschen geprägt. Es ist daher an der Zeit, die gastarbajteri, wie sie im Raum des ehemaligen Jugoslawiens genannt werden, in das kulturelle Gedächtnis Österreichs hineinzureklamieren. Die Initiative Minderheiten hat daher ein Projekt initiiert, das die Ausstellungen Gastarbajteri – 40 Jahre Arbeitsmigration im Wien Museum Karlsplatz und Gastarbajteri – Medien und Migration in der Hauptbücherei am Gürtel umfasst. Das Filmarchiv Austria zeigt vom 26. Jänner bis 03. Februar 2004 im Metro Kino die Reihe Gastarbajteri – MigrantInnen im Film.

Ausgehend von elf exemplarischen Orten und Zeitpunkten erzählen die Initiative Minderheiten und das Wien Museum die Geschichte der Arbeitsmigration der letzten vier Jahrzehnte. Es sind Orte, an denen Teile dieser Geschichte geschrieben wurden: die Anwerbestelle in Istanbul, die 1964 von der Österreichischen Wirtschaftskammer errichtet wurde, die Gastarbeiterroute, die Arbeitersiedlung Walddörfl in Ternitz oder die Fischfabrik Warhanek, die aufgrund ihrer prekären Arbeitsverhältnisse eine der ersten legalen Beschäftigungsmöglichkeiten für Migrantinnen bot. Adatepe, ein kleines Dorf in der Marmararegion der Türkei, aus dem mehr als die Hälfte der EinwohnerInnen nach Österreich emigriert ist und wohin 1994 die ersten PensionistInnen zurückgekehrt sind, der Mexikoplatz, der Ägyptische Club, die Lokalzeile am Naschmarkt und der zukünftige islamische Friedhof in Wien sind ebenso Orte dieser Geschichte wie die Fremdenpolizei am Hernalser Gürtel, oder der Treffpunkt vor der Oper in Wien, wo 1993 verschiedene MigrantInnengruppen gegen das Aufenthaltsgesetz demonstriert haben.

Die Annäherung an die Orte und die Rekonstruktion ihrer Geschichte beginnt biographisch mit Erinnerungen einzelner Personen. Dabei werden weder Erfolgsgeschichten noch Bilder der systematischen Unterdrückung gezeigt, vielmehr wird das Streben nach der Herstellung von Normalität dokumentiert. Gleichzeitig werden diese Orte aber nicht durch Einzelschicksale allein konstituiert, sondern auch durch gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen und Strukturen. So stehen die elf Orte für verschiedene strukturelle Bereiche, die Handlungsspielräume eröffnet, aber auch eingeschränkt haben.

(Wien Museum Karlsplatz, 22. Jänner – 11. April 2004)

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